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Brief an das FIfF - Stuttgart und anderswo

FIfF-Kommunikation 4/2010 - "@Welt"

Liebe Mitglieder des FIfF, liebe Leserinnen und Leser,

eines der beherrschenden Themen der letzten Wochen ist der Protest gegen Stuttgart 21 – und die Reaktionen darauf. Ich meine damit weniger den Umgang einzelner Polizeibeamter mit Bürgern, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen. Interessanter sind die Reaktionen in der Politik und in manchen Medien: Während einige eine neue Protestkultur begrüssen, die im Gegensatz zu früher auch das gehobene Bürgertum einbindet, sehen manche die Beteiligung der Bevölkerung als Gefahr: „Deutschland droht der totale Stillstand“, so war auf Spiegel Online, dem Internet-Ableger des „Sturmgeschützes der Demokratie“ zu lesen.

Verscherzt sich das Volk gerade das Vertrauen der Regierung – oder nur des Spiegel? „Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ schrieb Bertolt Brecht 1953 – freilich in anderem Zusammenhang.

Neben Demokratie und Bürgerrechten interessiert das FIfF stets auch die Militärpolitik. Hier wird eine besorgniserregende Entwicklung immer offener betrieben: Vor kurzem noch ist Horst Köhler vom Amt des Bundespräsidenten aufgrund eines Interviews zurückgetreten, in dem er unter anderem die Sicherung freier Handelswege als legitimes Ziel deutscher Militärpolitik bezeichnete. Er löste damit große Empörung in der politischen Szene aus – ich hatte an dieser Stelle darauf hingewiesen.

Nun sprach sich auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach einem Bericht der Zeit dafür aus, in der Militärpolitik „,offen und ohne Verklemmung‘ auf wirtschaftliche Interessen einzugehen. Denn dieser Zusammenhang sei im Grunde etwas Selbstverständliches.“

Etwas Selbstverständliches? Wirklich?

Womit wir wieder bei der IT-Politik wären: Zu Guttenbergs Ehefrau Stephanie, Präsidentin der Kinderschutzorganisation Innocence in Danger – die vehement Internet-Sperren als Mittel des Kinderschutzes anpreist –, macht gerade im Fernsehen von sich reden: Tatort Internet – wer schützt unsere Kinder, so lautet der Titel einer neuen Serie des Privatsenders RTL2, an der sie als Moderatorin beteiligt ist. Der Sender, dem die Welt sonst eine Reihe eher zwielichtiger Sendungen verdankt, hat sich nun also dem Kinderschutz verschrieben.

Die Sendung berichtet über den Missbrauch von Kindern und die Gefahren des Internet – ein sicherlich wichtiges und ehrenwertes Anliegen. Wenn das aber zur Sensationsmache verkommt, bei der Persönlichkeitsrechte – auch die der Opfer – scheinbar zweitrangig sind, kann man die eigentliche Zielsetzung der Sendung schon hinterfragen. Andere Kinderschutzorganisationen haben sich Berichten zufolge bereits von der „reißerischen und vorurteilsstärkenden“ Darstellung distanziert.

Eine effektivere Bekämpfung der Kriminalität versprechen sich deren Befürworter auch von der Vorratsdatenspeicherung – akzeptanzfördernd nun „Mindestspeicherfrist“ genannt. Im September sind wieder Tausende auf die Straße gegangen, um unter dem Motto „Freiheit statt Angst“ dagegen zu demonstrieren. Doch nun scheint die Front zu bröckeln: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat sich für eine Vorratsdatenspeicherung mit einer Speicherfrist von zwei Wochen ausgesprochen – und damit heftiger Kritik ausgesetzt. Er begründet den Vorstoß mit der Notwendigkeit, alternative, datenschutzfreundliche Lösungen aufzuzeigen. Der Datenschutzbeauftragte Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert, unterstützt diesen Vorschlag. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten Anfang November hatte erklärt, an der „grundsätzlich ablehnenden Haltung“ festhalten zu wollen, sich aber mit „Alternativen zum massenhaften anlass- und verdachtslosen Speichern von Verkehrsdaten der Telekommunikation auseinanderzusetzen“. Ob eine bloße Verkürzung der Speicherfrist da ausreicht?

Zurück zum FIfF. Gerade ist in Köln die diesjährige Jahrestagung zu Ende gegangen. Gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Datenschutz diskutierten wir zwei Tage lang unter dem Motto transparenz.arbeit.kontrolle über Beschäftigtendatenschutz – eine gelungene Tagung, für die ich allen Mitwirkenden herzlich danke. Ein erster Bericht ist auf den folgenden Seiten zu lesen.

Ein schönes Ergebnis der Arbeit im FIfF sahen wir am Samstagabend während der Tagung. Den FIfF-Studienpreis, letztes Jahr durch die Mitgliederversammlung eingerichtet, haben wir erstmals verliehen. Vielen Dank an dieser Stelle für die Einreichungen und allen Beteiligten für ihre Mitarbeit. Besonders möchte ich an dieser Stelle auch Raffael Rittmeier danken, dem wir die Initiative für den Studienpreis zu verdanken haben.

Licht und Schatten gab es dann auf der Mitgliederversammlung am Sonntag. Licht, wenn man das große Spektrum der Aktivitäten im FIfF des letzten Jahres betrachtet – Schatten, angesichts der finanziellen Situation, die sich vor allem aus gestiegenen Fixkosten ergibt. Nach kontroverser Diskussion im Vorstand hatten wir bei der Mitgliederversammlung einen Antrag auf Änderung der Mitgliedsbeiträge gestellt. Die Mitgliederversammlung ging nun – ebenfalls nach kontroverser Diskussion – sogar über unseren Antrag hinaus. Die Ergebnisse sind im Protokoll der Mitgliederversammlung auf Seite 7 nachzulesen. Beitragserhöhungen sind immer unerfreulich - ich bitte alle Mitglieder, auch den künftigen Weg mit dem FIfF zu gehen.

Wenn dieses Heft erscheint, ist das Jahr 2010 fast vorbei. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern und dem FIfF ein gutes und erfolgreiches Jahr 2011.

Mit fiffigen Grüssen

Stefan Hügel