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Missing Link – Fragen an die Informationsgesellschaft

Anja Ebersbach, Richard Heigl, Thomas Schnakenberg (Hrsg.): Missing Link – Fragen an die Informationsgesellschaft. Schriftenreihe der Universität Regensburg, Band 28. Regensburg: Universitätsverlag, 2003, ISBN 3-930480-45X, 172 S.

Rezension von Ralf E. Streibl

Das Buch dokumentiert eine von Studierenden der Universität Regensburg organisierte Veranstaltungsreihe. Schon in ihrer Einleitung machen die Herausgeber deutlich, dass hinter dem Begriff „Informationsgesellschaft“ kein einheitliches Konzept steht, vielmehr wurde und wird diese Bezeichnung in vielfältiger Weise politisch instrumentalisiert. In diesem Sinne thematisierten die in dem Band dokumentierten Vorträge vor allem auch Machtfragen und Ausgrenzungen.


Vor einem geistesgeschichtlichen Hintergrund schreibt Rafael Capurro über mediale „(R-)Evolutionen“ anhand dreier Medienbrüche: Oralität zur Schriftlichkeit, Handschriftlichkeit zur Drucktechnik, Drucktechnik zu elektronischer Vernetzung. Dabei wehrt er sich – unter Verweis auf die Originalquellen - gegen verkürzende Interpretationen (beispielsweise Platons Kritik an der Verschriftlichung als reine Medienkritik). Besonders wichtig sind dem Autor die Bezüge der Medienentwicklungen zu politischer Öffentlichkeit. Auch im Zeitalter der Cyberkultur sieht er den sozialen Bedarf an Kommunikation und Information im Zentrum. Unter Verweis auf vielfältige aktuelle Probleme einer zunehmend globalisierten Informationsgesellschaft (Spaltung zwischen Informationsreichen und -armen, Erhalt der Multikulturalität, Privatheit, etc.) fordert er die Weiterentwicklung einer umfassenden Informationsethik (unter Einbeziehung von Computerethik und Medienethik).


Das bei Capurro anklingende emanzipatorische Potenzial der Internetöffentlichkeit thematisiert Uwe Afemann mit Blick auf die Fragestellung, die ihn ja schon seit vielen Jahren beschäftigt: Welche Bedeutung kann dem Internet als entwicklungspolitischem Werkzeug zukommen? In seinem Beitrag verweist er auf Erfahrungen und Studien, nach denen durch die Einführung von IuK-Technologien in Entwicklungsländern vor allem die Hersteller dieser Geräte, Netzbetreiber, Banken und lokale Verwertungseliten profitierten. Die Kluft innerhalb der Länder wird größer, gleichzeitig nimmt die Verschuldung weiter zu. Zur Verdeutlichung hat Afemann aktuelles Zahlenmaterial zur globalen digitalen Spaltung zusammengestellt. Er diskutiert kritisch die Chancen von Entwicklungsländern diese Situation gesamtgesellschaftlich zu verbessern - durch den Einsatz von e-commerce, Nutzung des Internets im Bildungsbereich, oder auch im Bereich Menschenrechte. Vor dem Hintergrund seiner Betrachtungen kommt Afemann allerdings zum Schluss, dass das Internet zwar zur Schaffung einer sehr gut vernetzten internationalen Elite beiträgt - der Beweis, dass sich dadurch Lebenssituation und Wohlstand der breiten Bevölkerung systematisch verbessern würde, sei jedoch nicht erbracht worden.


In weiteren Beiträgen des Buches geht es unter einer Gender-Perspektive um die Situation von Männern und Frauen in kleinen Softwarefirmen (Annette Henninger, Ergebnisse einer empirischen Studie) sowie um das Themenfeld Open Source, Eigentum und (Informations-)Gesellschaft. Während Stefan Meretz, ausgehend von freier Software, über „Ideen für eine andere Gesellschaft“ nachdenkt, kritisiert Sabine Nuss allzu euphorische Hoffnungen und sieht die bürgerliche Eigentums- und Rechtsordnung nicht unter gravierendem Veränderungsdruck. Der letzte Beitrag des Bandes ist das Protokoll einer Videokonferenzdiskussion mit Joseph Weizenbaum und Andy Müller-Maguhn. Der Versuch, den Gesprächscharakter zu dokumentieren, führt zwangsläufig dazu, dass dieser Buchbeitrag bei weitem nicht die inhaltliche Dichte und Stringenz anderer Beiträge des Bandes aufweist – andererseits scheint im Klima des Gespräches zwischen den beiden Videokonferenzteilnehmern und dem Publikum im Saal recht deutlich das angenehme Klima der Veranstaltung auf.


Als thematischem Sammelband würde man sich von dem Buch eine klarere inhaltliche Ausrichtung und besser aufeinander abgestimmte Beiträge wünschen. Als Dokumentation einer Vortragsreihe jedoch sind vor allem die Beiträge als solche zu betrachten, die lesenswert bis sehr interessant sind. Ein Blick in das Buch empfiehlt sich daher für alle, die beruflich oder aus persönlichem Interesse verschiedene Facetten der Informationsgesellschaft betrachten wollen.


Anja Ebersbach, Richard Heigl, Thomas Schnakenberg (Hrsg.): Missing Link – Fragen an die Informationsgesellschaft. Schriftenreihe der Universität Regensburg, Band 28. Regensburg: Universitätsverlag, 2003, ISBN 3-930480-45X, 172 S.