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Vorträge

 

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Cyperpeace - Frieden gestalten mit Informatik

FIfF Jahrestagung 2013

 

25. bis 27. Oktober 2013 in Siegen

 

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Übersicht der Vorträge:

 


Detailbeschreibungen

 

Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg - Begriffsbestimmung und Einführung zum Tagungsthema

Der Vortrag soll eine Übersicht zum Tagungsthema Cyberpeace geben. Im ersten Schritt erfolgt eine Begriffsbestimmung für Cyberwarfare und dessen Abgrenzung zu anderen Angriffen auf IT Systeme. Wir beleuchten das Attributierungsproblem und das Dual Use Dilemma bei der Geheimhaltung von Schwachstellen.
Durch die Enthüllungen im NSA Skandal wurde deutlich, dass Geheimdienste durch Botnetze, Spionage und den Einbau von Schwachstellen in Algorithmen, IT Services und Produkte maßgeblich an der Vorbereitung der digitalen Kriegsführung beteiligt sind.
Die weiteren gesellschaftliche Folgen zeigen sich in der Remilitarisierung des Internets. Die Massenüberwachung durch die Geheimdienste und die Etablierung von Überwachungstrukturen und Technologien bilden die notwendige Basis für die Erreichung und Aufrechterhaltung der Hegenomie im Cyberspace.
Für dessen friedliche Entwicklung ist eine starke Zivilgesellschaft erforderlich mit freiem Journalismus, parlamentarischer und öffentlicher Kontrolle der Machtinhaber, informationeller Selbstbestimmung und Rechtssicherheit gegenüber Datenmissbrauch, Schutz vor Diskriminierung und Verfolgung. Wesentliche Voraussetzungen dafür sind friedensfördernde informationstechnische Strukturen. Dazu zählen Open Source, Transparenz, freie Sicherheitsforschung, Privacy by Design, Anonymität, Anti Zensurmaßnahmen und Netzneutralität.
Des weiteren kann IT auch emanzipatorisch genutzt werden, etwa zur politischen Willensbildung (Liquid democracy), Mediation, Organisation von Widerstand und Demokratie von Unten und so eine friedliche und freie Gesellschaft fördern.
Abschließend werden die friedenspolitischen Forderungen des FIfF zur Beendigung des Cyberwar vorgestellt.

Sylvia Johnigk und Kai Nothdurft
FIfF Vorstandsmitglieder arbeiten seit Jahren unter anderen an dem Thema Cyberwarfare

 

Internetüberwachung und Zensur

Informationen folgen

Jacob Appelbaum
Menschenrechtsaktivist, Wikileaks Unterstützer und einer der Entwickler der Anonymisierungssoftware TOR

 

 ICT use to support resilience in regions of conflict: The case of Iraq and the Arab Spring

In this talk I will present research conducted over six years to understand how ICTs can be used in environments disrupted by war and political uprisings to support people in being resilient. We have studied ICT use by people experiencing prolonged conflict over the eight years of the Iraq war, and by those who experienced the political uprisings of Egypt in 2011 during the Arab Spring movement. In Iraq, interviews with 105 Iraqi citizens revealed how ICTs can help people rebuild their human infrastructure: they were used to maintain daily work patterns and social life, by utilizing safe networks and developing new collaborative practices. An analysis of the blogosphere in Iraq revealed how blogs created a safe virtual environment where people could interact, free of the violence in the physical environment and of the strict social norms of their changing society in wartime. We discovered that blog content can be an indicator of the health or state of the affected population; blogs temporally tracked the actual, measurable violence in the society, and they can indicate when collective identity emerges. In Egypt during the Arab Spring, blogs revealed a counter-narrative to the government-supplied version of events during the 18-day uprising. These narratives offer rich documentation of how blogs, and social media more generally, can be utilized by individuals operating under repressive conditions. I will discuss how the new and modified use of ICTs in these conditions have led to some deeper structural changes in the societies.

Gloria Mark is a Professor in the Department of Informatics, University of California, Irvine. Her research focuses on the studying the impact of digital technology in real-world contexts. Her current projects include studying how people use ICTs in environments disrupted by conflict, multi-tasking of information workers, and analysis of workplace social media. She received her PhD in Psychology from Columbia University. Prior to joining UCI in 2000, she worked at the German National Research Center for Information Technology (GMD) in Bonn, Germany (now Fraunhofer Institute). In 2006 she received a Fulbright scholarship where she worked at the Humboldt University in Berlin, Germany. She has been the technical program chair for the ACM CSCW’12, ACM CSCW'06, and ACM GROUP’05 conferences, and is on the editorial board of ACM TOCHI and Human-Computer Interaction. Her work has appeared in the top conferences and journals in the HCI field. Her work has also appeared in the popular press such as The New York Times, the BBC, Time, and The Wall Street Journal.


Datenschutz heute: 30 Jahre zurück statt 30 Jahre voraus?

Der Schutz der Privatheit ist trotz aller Fehlschläge und Angriffe ein auch im Internet lebendiges Prinzip. Sowohl das Bundesdatenschutzgesetz als auch die aktuell diskutierten EU-Vorschläge dazu gehen von der Vorstellung aus, dass Privatheit eine Sache über Individuen sei und diese Individuen selbst bestimmt handeln wollen und können. Das dazu passende Szenario ist 30 Jahre alt. Heute in Zeiten der sozialen Netze, Big Data und omnipotenter Beobachter sind die Grundprinzipien für die kommenden Jahre in Gefahr sich weiter von der Technik zu entfernen. Schon heute werden sie von Nutzern überwiegend nicht angenommen. Der Vortrag zeigt die Unterschiede in den USA und Europa, weshalb die informationelle Selbstbestimmung Nutzer überfordert und weshalb mit Transparenz die gegenwärtigen Verfahren ergänzt werden müssen, soll Privatheit auch im Internet in den kommenden 30 Jahren befriedigender als heute durchgesetzt werden können.

Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Müller

 

 

Das Imperium schlägt zurück - Zur Lage der Menschenrechte im digitalen Zeitalter 

In den vergangenen 20 Jahren haben digitale Technologien in der Datenverarbeitung und -übertragung zunehmende Verbreitung gefunden. Dieses oft als „digitale Revolution“ bezeichnete Phänomen hat für die meisten Menschen zu enormen Erleichterungen im Alltag und für die Gesellschaften insgesamt zu großen Effizienzsteigerungen geführt.
Auch für den Schutz der Menschenrechte hat diese Entwicklung erhebliche Chancen eröffnet: Der „Arabische Frühling“ wäre in dieser Dynamik kaum denkbar gewesen ohne die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsmittel. Die Inhalte vertraulicher Dokumente, mit denen Menschenrechtsverletzungen von Staaten erstmals belegt werden konnten und von denen die von Chelsea Manning und Edward Snowden geleakten nur die aufsehenerregendsten waren, hätten ohne anonyme Whistleblower-Plattformen im Internet wie WikiLeaks nicht dieselbe Aufmerksamkeit und Verbreitung gefunden. Zahlreiche Projekte vernetzen Menschenrechtsaktivisten mittlerweile über Blogs, soziale Netzwerke, SMS-Dienste oder Smartphone-Apps. Sie ermöglichen es ihnen, sich über ihre Arbeit auszutauschen, Belege für Menschenrechtsverletzungen im Netz weltweit publik zu machen und sich vor Übergriffen wirksamer zu schützen.
Gleichzeitig verwenden aber auch Regierungen diese Technologien, um Menschen, durch die sie sich in ihrer Macht gefährdet sehen, zu überwachen, aufzuspüren und zu verhaften. In vielen Fällen geht es dabei um Personen, die lediglich von ihren Menschenrechten Gebrauch gemacht haben. Staaten nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um ihnen nicht genehme Meinungen oder Aktivitäten zu unterdrücken. Sie lassen Kommunikationsvorgänge ohne konkreten Anlass überwachen und untergraben damit die Anonymität der Kommunikation und die Privatsphäre der Menschen. Sie sperren bestimmte Dienste und Inhalte im Internet, dringen in private E-Mail-Konten ein, zensieren Meinungsäußerungen anhand von gigantischen Wortfiltern oder haben gar die Abschaltung von Kommunikationsnetzen angeordnet in Zeiten, in denen sie ihren Machterhalt durch bürgerliche Unruhen und politische Proteste gefährdet sahen.
Die Enthüllungen der letzten Monate über die Spähaktivitäten von NSA und GCHQ sprengen alle bisher öffentlich bekannt gewordenen Dimensionen weltweiter Kommunikationsüberwachungsmaßnahmen. Gleichzeitig sehen sich Whistleblower, die vertrauliche Dokumente veröffentlichen, aus denen sich Menschenrechtsverletzungen ergeben, strenger Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt. Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und fragwürdige EU-Forschungsprojekte wie INDECT tragen das Ihre dazu bei, dass zunehmend der Eindruck entsteht, es seien nicht nur Staaten mit seit langem bekannter extensiver Überwachungs-, Filter- und Zensurtradition wie China, Iran oder Saudi-Arabien, die den Menschenrechten im digitalen Raum nur geringen Wert beimessen.
Die genannten Beispiele zeigen die ambivalenten Folgen der Digitalisierung für die Menschenrechte: Während moderne Informations- und Kommunikationstechnologien dem Einzelnen neue Chancen zur Wahrnehmung seiner Rechte eröffnen, geben sie Regierungen auch neue Instrumente an die Hand, diese Aktivitäten wirksam zu unterbinden, zu behindern oder zu kontrollieren. Die gegenwärtigen Entwicklungen zeigen, dass exzessive staatliche Eingriffe in diesem Umfeld die volle Durchsetzung der Menschenrechte - allen voran der Rechte auf freie Meinungsäußerung, auf freien Informationszugang und auf den Schutz des Privatlebens - zunehmend gefährden. Regierungen überall auf der Welt scheinen gegenwärtig darauf hinzuwirken, die Erleichterungen, die moderne Informations- und Kommunikationstechnologien für die Wahrnehmung der Menschenrechte gebracht haben, unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit zu einem erheblichen Teil wieder zu beseitigen oder deutlich einzuschränken.
Die deutsche Sektion von Amnesty International ist derzeit dabei, eine neue Arbeitsgruppe unter dem vorläufigen Namen Digital@Amnesty einzurichten, die sich mit Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie befasst. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die weitere Entwicklung dieser Technologien kritisch zu begleiten und an der Erarbeitung offizieller Positionen von Amnesty International zu den daraus entstehenden Problemen mit Blick auf den künftigen Schutz der Menschenrechte in einem digitalen Umfeld mitzuwirken.

Sebastian Schweda

Arbeitet bei Amnesty International mit. Er ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkten im Medien-, Telekommunikations- und Datenschutzrecht.

 

 

Geheimnisse und das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

Im Kontext der kürzlichen Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden kam unter anderem ans Tageslicht, dass sicherheitskritische Schwachstellen im weit verbreiteten Betriebssystem Microsoft Windows absichtlich von Microsoft geheimgehalten und nicht – oder nur verzögert – behoben werden. Einziger Grund sind die US-amerikanische Geheimdienste, sie erhalten diese Informationen umgehend, um die offenen Sicherheitslücken für ihre Zwecke ausnutzen zu können.
Die Infrastruktur unserer digitalen Welt wird also ganz bewusst unsicher gestaltet. Dieser Umstand betrifft Privatpersonen genauso wie Behörden und Unternehmen genauso wie andere Organisationen, mindestens alle, die Microsoft Windows einsetzen.
Wie verträgt es sich aber damit, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2008 das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme formuliert hat?
Das Grundrecht wurde aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitet, weil das Gericht die Bedeutung solcher Systeme für den Menschen und die Gesellschaft erkannt hat. Dabei ist der Hinweis wichtig, dass sich das Grundrecht nicht auf Vertraulichkeit und Integrität allein richtet, sondern sogar auf deren Gewährleistung. Der Staat ist gewissermaßen in Bringschuld.
Welche Implikationen hat dieses Grundrecht also in einer globalisierten und digitalisierten Welt, in der Hersteller wissentlich unsichere Betriebssystemsoftware vertreiben, damit u.a. Geheimdienste die offenen Sicherheitslücken ausnutzen können? Muss man sich angesichts der Untätigkeit der deutschen Politik fragen, ob der Wesensgehalt des neuen Grundrechts dort überhaupt verstanden worden ist? Wie sehen tatsächliche Lösungsansätze aus, welche Rolle kann oder muss freie Software dabei spielen und vor allem warum? Diese und andere spannende Fragen sollen im Vortrag behandelt werden. 

Rainer Rehak
Preisträger des FIfF Studienpreises 2012