Benutzerspezifische Werkzeuge
Sie sind hier: Startseite Festtafel der Freiheit

Festtafel der Freiheit

Ohne Freiheit ist alles nichts! Die ist uns jedoch mit den jüngsten Gesetzesvorhaben immer mehr abhanden gekommen. Statt allerdings in Depressionen zu verfallen, lasst uns bei Wein und Kuchen gemeinsam über eine freiheitliche Zukunft nachdenken: In welcher digitalen Gesellschaft wollen wir leben?

9. September 2017, Demo ab 12 Uhr, Festtafel 17-19 Uhr, Berliner Gendarmenmarkt, schräg gegenüber dem Konzerthaus

Festtafel der Freiheit - Galerie
Zur Bildergalerie der Festtafel
oder Download der ZIP-Datei (65 MB),

CC BY-SA FIfF/M.Durand

Wir haben genug von einer großen Koalition, die nachts durch die Hintertür das Hacken unserer Rechner und Smartphones per Staatstrojaner durchdrückt[0], uns BürgerInnen nur als Datengeber für staatlichen oder kommerziellen „Datenreichtum“ sieht[1] und anlasslose Vorratsdatenspeicherungen[2] oder biometrische Totalerfassung[3] für gänzlich unproblematisch hält[4].

Wir setzen uns für das Ende von immer neuen Überwachungsgesetzen[5] ein, widersprechen der politischen Treibjagd von einem vermeintlichen Bedrohungszustand zum nächsten und fordern stattdessen durchdachtes Handeln mit Blick auf die Wahrung unserer Grundrechte[6] und Freiheiten[7].

Wir wollen uns für diejenigen starkmachen, denen die Freiheit genommen wurde, weil sie als Journalist*innen[8] und Aktivist*innen[9] kritisch Stellung bezogen haben. Als Teil einer Gesellschaft, in der Überwachung immer mehr zum Normalzustand wird, setzen wir uns für diejenigen ein, die sich auf private Gespräche über Telefon und Internet verlassen wollen oder gar müssen[10].

An einer langen Festtafel der Freiheit wollen wir mitgebrachte Gedanken genauso teilen wie mitgebrachte Picknickkörbe. Damit erinnern wir[11] zugleich an die Zeit, in der Versammlungsfreiheit und von BürgerInnen organisierte Demonstrationen noch erkämpft und Forderungen nach Freiheit und Bürgerrechten noch als Bankett getarnt werden mussten: Das Hambacher Fest von 1832[12], eines der bedeutendsten Ereignisse der deutschen Demokratiegeschichte und zugleich Wiege der europäischen Einigung.

Das Hambacher Fest

Hambacher Fest mit Demoposter

Am 27. Mai 1832 zogen fast 30.000 Menschen – Bauern und Winzer genauso wie Kaufleute und Studierte – aus Deutschland, Frankreich, England und Polen zum Hambacher Schloss, um über die Zukunft des Landes und Europas zu debattieren. Als Antwort auf die Unterdrückung, politische Verfolgung und Zensur unter Fürst Metternich, feierten sie als liberal-demokratische Oppositionsbewegung zwei Tage lang „ein Fest der Freude und der Hoffnung“[13] und ließen die Werte der Französischen Revolution wieder aufleben. 33 Redner forderten[14] die Abschaffung der Zensur, die Presse- und Meinungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Gleichberechtigung der Frauen, die explizit zur politischen Beteiligung aufgefordert waren. Mit diesen Grund- und Bürgerrechten verlangten sie nach einem einigen deutschen Nationalstaat mit einer demokratischen Verfassung und demokratischer Mitbestimmung. Sie riefen zugleich aber auch zu Solidarität mit den europäischen Nachbarvölkern auf, von Polen über Frankreich bis Spanien. Ziel war ein „conföderirte[s] republikanische[s] Europa“[15], in dem Deutschland und die mit ihm verbündeten Nationen ihre Vision von nationaler Einheit, Freiheit, Gleichheit und Volkssouveränität verwirklichen können. Thema war außerdem die Abschaffung von Zöllen, Handelssperren und unterschiedlichen Maßen und Gewichten. Fürst Metternich und seinesgleichen jedoch verdammten diesen mehrtägigen „Exceß“ als „grinsende Züge von Anarchie“ und „Bürgerkrieg“.[16]

Viele dieser Forderungen – ebenso wie die Diffamierung durch die Machthabenden – kommen uns auch heute noch aktuell vor. Auch wir wollen die Presse- und Meinungsfreiheit hochleben lassen, die Versammlungsfreiheit feiern und über unsere Möglichkeiten demokratischer Mitbestimmung in nicht nur einem einigen Europa, sondern einer inzwischen digital global vernetzten Welt debattieren. Die damals und in den Folgejahren erkämpften Freiheiten und Grundrechte zu verteidigen und über nationale Grenzen hinaus einzufordern ist heute unsere Aufgabe. Damals ist die europäische Revolution zunächst gescheitert – unter anderem, weil Bürgerliche und Studierende einerseits und Bauern und Arbeiter andererseits an unterschiedlichen Enden gezogen haben statt sich tatsächlich an denselben Tisch zu setzen. Unsere „Festtafel der Freiheit“ ist ein Forum für alle freiheitlichen Gedanken – darum bringt mit, was eure Kühlschränke und Gemüsebeete hergeben und dann lasst uns gemeinsam diskutieren!

Das Festmenü
Original Eintrittskarte zur Hambacher Festtafel

Ab 17 Uhr gibt es kurze Festreden zu folgenden Thesen: 

Informantenschutz durchlöchert: Ein Kollateralschaden der Überwachungsgesetze, Dr. Michael Rediske
Pressefreiheit und Informantenschutz funktionieren in Deutschland einigermaßen - aber nur noch analog. In der digitalen Welt wird der Schutz ausgehebelt. Der Journalist darf vor Gericht seine Quelle verschweigen, aber seine Gespräche mit dem Informanten darf der Staatsanwalt abhören lassen. Whistleblower werden immer mehr abgeschreckt. Es ist Zeit, die Pressefreiheit im Netz zu stärken. Auch nach den Bundestagswahlen.

Zivilgesellschaft und Bürgerrechte, Lena Rohrbach
Eine demokratische Gesellschaft lebt von der Partizipation ihrer Bürgerinnen und Bürger und gesellschaftliche Veränderungen müssen ihren Ursprung immer auch in der Gesellschaft selbst haben. Unsere erkämpften Rechte müssen wir aktiv erhalten und erweitern, damit wir sie nicht verlieren.

Festtafel Flugblatt Web S1

Transparenz und Informationsfreiheit, Arne Semsrott
Transparenz ist Voraussetzung für demokratische Kontrolle und Befreiung von Herrschaftswissen, doch an der Trump-Regierung zeigt sich, dass autoritäre Regierungen immer auch verschleiern wollen, was sie tun. Angesichts des zukünftigen Innenministers Herrmann und der AfD im  Bundestag werden auch wir neue Herausforderungen im Feld haben. Aber wir können zurückschlagen: Mit dem Nutzen unserer Auskunftsrechte und dem Gang vor die Gerichte.

Knechtung und Befreiung durch Überwachungstechnik, Dr. Stefan Ullrich
Jeremy Benthams Entwurf eines Überwachungssystems mit dem Namen Panoptikum war ein Projekt der Aufklärung. Seine Ausführungen über die Kontrollen der Kontrolleure nehmen einen weit größeren Platz ein als die über die Gefangenenüberwachung. Den Unschuldigen ist das Panoptikum ein Schild, den Schuldigen eine Geißel.

Staatlicher Grundrechtsbruch durch Informationstechnik und unser Widerstand, Dr. Constanze Kurz
Informationstechnik wird nicht nach tatsächlicher, sondern nach zugeschriebener Funktion verwendet. Wirtschafts- und Technikgläubigkeit haben in der Politik aktuell Oberwasser. Grundrechte werden auf diese Weise auch technisch ausgehöhlt, doch wir sind widerspenstig.

Dazu wird gereicht: grinsend anarchistische Protestmusik von Paul Geigerzähler, angerichtet mit Zeit für eigene Positionen und Diskurs, aufgetragen vom Festkomitee: Juliane Krüger & Rainer Rehak.

Herkunftsnachweis der Ingredenzien:

Arne Semsrott gründete schon zu Schulzeiten eine Untergrund-Schülerzeitung, die verboten und ausgezeichnet wurde, beschäftigt sich seitdem mit Informationsfreiheit. Ist freier Journalist u. a. bei netzpolitik.org, Politikwissenschaftler und hat ein Herz für Themen wie Transparenz und Lobbyismus. Engagiert bei Transparency International, beim Whistleblower-Netzwerk und FragdenStaat.de. https://fragdenstaat.de I @arnesemsrott

Constanze Kurz ist promovierte Wahlcomputerkritikerin, Sprecherin vom Chaos Computer Club, Redakteurin bei Netzpolitik.org und kann das Bundesverfassungsgericht zu ihrer Fangemeinde zählen. Beackert die Themen Digitalisierung, Datenschutz und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Automatisierung, schreibt Sachen in Bücher und die regelmäßige FAZ-Kolumne „Aus dem Maschinenraum“. @arbeitsfrei

Juliane Krüger hat Philosophie, Kultur und Kunst, und leider auch BWL durchaus studiert mit heißem Bemühn. Sah, dass wir nur gemeinsam alles wissen können, Mephisto hingegen nicht alles wissen soll und hat darum nach ihrem Ausflug in die Kulturszene jetzt lieber einen Pakt mit netzpolitischen Organisationen wie dem FIfF oder der Open Knowledge Foundation geschlossen. Spricht, setzt und rettet außerdem gern Texte, am liebsten mit dem Cyberwort.

Lena Rohrbach ist Expertin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter, Rüstungsexportkontrolle sowie Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International, vertritt die Organisation beispielsweise zu den Themen Privatsphäre und Vorratsdatenspeicherung gegenüber Politik, Medien und Öffentlichkeit. @amnesty_digital | @Arte_Povera

Michael Rediske ist ehrenamtlicher Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen Deutschland seit der Gründung 1994. Beruflicher Start als Freelance-Journalist in Zentralamerika, ab 1987 Redakteur, 1996 bis 1999  Chefredakteur der taz. Nach leitenden Funktionen beim Internet-Startup  Citikey, der Evangelischen Medienakademie und AFP Deutschland Wechsel  zum DJV. Seit 2004 dort Geschäftsführer des heutigen   Journalistenverbands Berlin-Brandenburg. Mitglied des Deutschen  Presserats von 1998 bis 2003.

Paul Geigerzähler, in Budyšin geboren, früh versehen mit den musikpädagogischen Errungenschaften der DDR und einer Geige. Nach Bröckeln der seltsamen Betonwand in Berlin Lehre als Hausbesetzer und Karriere in Bands mit lustigen Namen wie Köterkacke, seit deren Auflösung musikalische Touren durch Punk, Folk, Reggae und Elektro, allein oder zu zweit mit Berlinska Dróha oder Atze Wellblech. http://geigerzaehler.blogsport.de I @PGeigerzaehler

Stefan Ullrich ist freier, promovierter Diplom-Informatiker, der sich auch außerhalb von Festtafeln diskursiv mit den Auswirkungen der allgegenwärtigen Informationstechnik auseinandersetzt. Hat es sich zwischen den Wissenschaftsdisziplinen gemütlich gemacht und gibt sich je nach Anlass als Philosoph oder als Techniker aus, was für ihn jedoch insgeheim das gleiche ist. http://www.cytizen.de/stefanullrich

Rainer Rehak ist vom Themenfeld „Informatik und Gesellschaft“ fasziniert und tanzt zwischen philosophischen Theorien und praktischer IT-Security durch den Cyberdschungel. Studierte Informatik und Philosophie in Berlin, Hong Kong und Peking und schrieb seine Diplomarbeit über staatliches Hacking. Sichert und schützt seitdem Daten, aber damit eigentlich Menschen und ihre Persönlichkeitsrechte. Aktiv im Kern des FIfF. @Rainer_Rehak

Festtafel Tischmenü
Die Festtafel befindet sich auf der Demo:

Freiheit feiern - Rettet die Grundrechte

Wir feiern die Freiheit und setzen ein Zeichen gegen die freiheitsfeindliche Politik der Großen Koalition in den vergangenen Jahren!

Wann und wo?

  • Samstag, 9. September 2017, Demofest der Grundrechte, ab 12:00 Uhr, Berliner Gendarmenmarkt (direkt vor dem Konzerthaus)

Was wir fordern:

Demoposter Blau
  • Staatliche Überwachung abbauen!
  • Keine Vorratsdatenspeicherungen!
  • Privatheit schützen: On- und Offline!
  • Pressefreiheit – Keine Zensur, Einsatz für inhaftierte Journalist*innen!
  • Grundrechte, Freiheit und Rechtsstaat sichern!

Was wir machen:

  • Gute Musik: Wir tanzen um den Gendarmenmarkt.
  • Eine Festtafel der Freiheit: Lasst uns zusammen essen, trinken, diskutieren!
  • Cryptoparty: Bring Deine digitalen Geräte mit, wir helfen Dir ganz praktisch bei Verschlüsselungswerkzeugen und Privatsphäreschutz.
  • Bunte Anonymisierung: Bring Deine Kinder und Eltern mit, denn sie wollen unbedingt unsere Biometrieschminke ausprobieren!
  • Gute Laune: Bring gern alles mit, was die Stimmung hebt – frohe Schilder, humorvolle Masken, Essen zum Teilen, Becher zum Füllen und Tanzbeine aller Couleur!

Wir haben keine Angst und lassen uns auch keine einreden! Wir wollen unsere Freiheit feiern!
https://freiheitfeiern.de

 

Quellen und Verweise

[0] https://www.fiff.de/presse/pressemitteilungen/entfesselter-trojaner-grosse-koalition-verhoehnt-it-sicherheit-und-demokratie
[1] https://www.fiff.de/presse/pressemitteilungen/digitalcharta-notwendige-politische-initiative-trotz-grober-fehler-fiff-sichert-mithilfe-zu
[2] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Vorratsdatenspeicherung-2-0-Grundrechtsverletzung-mit-Zuckerguss-2655649.html
[3] https://www.fiff.de/verfaelschte-studie-zur-tauglichkeit-grundrechtswidriger-techniken
[4] https://netzpolitik.org/2017/minister-de-maiziere-fuer-flaechendeckende-biometrische-videoueberwachung/
[5] https://twitter.com/kattascha/status/884801087005495297
[6] https://netzpolitik.org/2017/zu-viel-zu-lange-zu-wenig-kontrolliert-eugh-stutzt-vorratsdatenspeicherung-von-fluggastdaten-zusammen/
[7] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Bundesnetzagentur-setzt-Vorratsdatenspeicherung-aus-3757527.html?artikelseite=all
[8] https://www.welt.de/autor/deniz-yuecel/
[9] https://netzpolitik.org/2017/bgh-nsa-untersuchungsausschuss-muss-snowden-nicht-einladen-weil-die-opposition-zu-klein-ist/
[10] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/vorratsdatenspeicherung-gefaehrdet-quellenschutz/
[11] Verantwortlich für Aufruf und Festtafel ist das Festkomitee Juliane Krüger & Rainer Rehak. Kontaktadresse: festkomitee /ät/ fiffkon /punkt/ de
[12]
http://www.demokratiegeschichte.eu/index.php?id=58
[13]
http://haasis-wortgeburten.anares.org/freiheitsgeschichten/hambacher1.php
[14] http://www.friedrich-verlag.de/shop/downloads/dl/file/id/34134/product/3725/quellen_material_pdf.pdf
[15]
https://hambacher-schloss.de/index.php/geschichte/331-eine-burg-wird-symbol
[16] http://politische-bildung-rlp.de/fileadmin/files/downloads/Broschuere_Hambach_1832.pdf