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FK 2/2011: Editorial

 
Vom 5. bis 7. November 2010 fand in Köln die Jahrestagung 2010 des FIfF statt. Wir haben darüber bereits ausführlich berichtet – was aber fehlte, waren die Beiträge der Referenten und die Berichte über die Arbeitsgruppen. Nachdem wir sie beim letzten Mal verschieben mussten, bilden sie nun einen der beiden Schwerpunkte dieses Heftes.

Am Anfang steht der Beitrag von Marc Solga. Der Wirtschaftspsychologe aus Bochum schreibt über Erlebte Rechenschaftsverpflichtung – zur Psychologie des Sich-verantworten-müssens. Er stellt dabei dar, dass Rechenschaftsverpflichtung letztendlich zu besseren Leistungen führt und unerwünschtes Verhalten reduziert. Sie muss aber stets verantwortungsvoll eingesetzt werden.

Der Stern deckte im Frühjahr 2008 einen Skandal auf: Beim Discounter Lidl wurden Mitarbeiter in großem Stil bespitzelt. Der Stern-Reporter Malte Arnsperger berichtet über die Recherchen – vom ersten Hinweis über die weiteren Untersuchungen bis zur Veröffentlichung und den Reaktionen darauf.

Die Ergänzung zu den Hauptvorträgen der Tagung bilden die Berichte über die Arbeitsgruppen. Karin Schuler berichtet über Datenschutzgerechte Forensik, Britta Mester über Kommunikationsüberwachung im Beschäftigungsverhältnis und Sylvia Schenk über Datenschutz und Korruptionsbekämpfung.

Ein zweites großes Ereignis fand am 1. April 2011 statt und ist uns einen zweiten Schwerpunkt wert: Die BigBrotherAwards wurden im Rahmen einer Gala in der Bielefelder Hechelei verliehen. Stefan Hügel berichtet von der Verleihung und über die Preisträger.

Wie jedes Jahr war das FIfF in der Jury durch Werner Hülsmann vertreten. „Sein“ Preisträger war der Vorsitzende der Zensuskommission. Über die Volkszählung („Zensus“) haben wir ja bereits wiederholt berichtet. Die Laudatio für die Verleihung dieses BigBrotherAwards ist in diesem Heft nachzulesen.

Sicherlich wäre jede Laudatio aus der Gala eines Abdrucks wert gewesen. Als zweiten Beitrag haben wir uns entschieden, die Laudatio von Rena Tangens auf Facebook abzudrucken, einem Preisträger, dessen Datenschutzpraxis – oder besser dessen unzureichender Datenschutz – seit längerem von sich reden macht. Die weiteren Beiträge des Abends sind natürlich wie immer unter www.bigbrotherawards.de im Internet zu finden.

Ein Thema, das nicht unbedingt mit Informatik, aber viel mit Technik und Verantwortung zu tun hat, ist die Nutzung der Atomenergie. Uns allen ist die Katastrophe von Fukushima noch in lebendiger Erinnerung. Till Bastian setzt sich deshalb hier mit Aspekten der Atomkraftnutzung auseinander.

Passend dazu unsere Retrospektive. Science and Ethics war der Beitrag von Christiane Floyd zur Tagung Challenges, die 1991 in Berlin stattfand. Wir haben den Beitrag in dieses Heft aufgenommen und hoffen, dass er einen Anstoß zu einer neuen Debatte um Ethik und Wissenschaft, Technik und Informatik geben kann.

Eine Frage der Ethik, die allzu häufig von der Frage der Wirtschaftlichkeit überdeckt wird, ist die Frage der Produktionsbedingungen in der Computerindustrie der Länder des globalen Südens. Auch eine Lifestyle-Firma wie Apple gibt hier nicht das beste Bild ab; dabei ist es nicht das Unternehmen selbst, sondern es sind einige seiner Zulieferbetriebe, die ihre Mitarbeiter zu niedrigsten Löhnen und unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen arbeiten lassen. Sebastian Jekutsch berichtet von den Arbeitsbedingungen bei Apple-Zulieferern und vom Kampf der Interessenvertreter für Verbesserungen. Er weist auch darauf hin, dass Apple mitnichten das alleinige schwarze Schaf der Branche ist, sondern nur ein Beispiel dafür abgibt, auf wessen Kosten letztlich die geringen Arbeitskosten gehen.

Den Abschluss des aktuellen Teils bildet der Beitrag von Klaus Fuchs-Kittowski. Wo liegen die Potenziale und die Risiken der modernen Datenverarbeitung, fragt er, und berichtet von der Ambivalenz der Wirkungen moderner Informations- und Kommunikationtechnologien auf Individuum, Gesellschaft und Natur. Vom Fortschrittsbegriff  Ernst Blochs schlägt er dabei einen weiten Bogen bis hin zu den aktuellen Entwicklungen. Arbeit, Privatsphäre, Umwelt, Roboter und Kommunikation sind Aspekte, mit denen er sich dabei auseinandersetzt.

In der Rubrik Lesen haben wir uns dieses Mal zwei Bücher angesehen: The Net Delusion von Evgeny Morozov wendet sich gegen den Mythos, dass das Internet allein die Globalisierung von Freiheit und Demokratie herstellen könnte. Im Gegenteil weist der Autor darauf hin, dass – bei allem Potenzial für demokratische Bewegungen – auch Gefahren aus der Technologie erwachsen. Staatliche Institutionen sind fast immer besser mit Ressourcen und Machtmitteln ausgestattet, so dass sich die Technik leicht gegen Demokratiebewegungen wenden kann. Dietrich Meyer-Ebrecht setzt sich ausführlich mit dem Band von Morozov auseinander.

Das zweite Buch, das wir uns angesehen haben, stammt von Constanze Kurz und Frank Rieger. Die Datenfresser ist es betitelt und stellt eindringlich die Methoden dar, mit denen sich Wirtschaftsunternehmen und Staat unsere Daten zunutze machen. Dabei benennt es Ursachen und Konsequenzen und gibt Anstöße, wie wir die Kontrolle über unsere Daten wieder zurückerhalten können.

Auch dieses Mal denken wir, eine Ausgabe zusammengestellt zu haben, die mit Gewinn gelesen wird. Gerne wüssten wir aber mehr über die Meinung unserer Leserinnen und Leser. Wir freuen uns über Leserbriefe, und anderes Feedback, das uns leider viel zu selten erreicht. Wir möchten Euch deswegen ermutigen, uns Eure Meinung mitzuteilen – damit die FIfF-Kommunikation auch in Zukunft lesenswert bleibt.

Die Redaktion wünscht ihren Leserinnen und Lesern auch für diese Ausgabe eine interessante und anregende Lektüre – und viele neue Erkenntnisse und Einsichten.

Stefan Hügel

(für die Redaktion)