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FK 3/2011 Brief an das FIfF

"Das Internet war’s!"

 

Liebe Mitglieder des FIfF, liebe Leserinnen und Leser,

fassungslos stehen wir vor dem Massaker in Norwegen. Erneut hat sich gezeigt, wozu rechter Terror in der Lage ist. Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieses furchtbaren Anschlags.

Gleichzeitig ist es bewundernswert, wie die Menschen in Norwegen damit umgehen. Gerade bei solchen Ereignissen müssen wir dafür sorgen, dass es den Terroristen nicht gelingt, unsere offene, demokratische Gesellschaft zu zerstören.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, den Angreifern wehrlos gegenüber zu stehen. Doch Bürgerrechte sind keine Schönwetterrechte. Sie müssen sich gerade dann bewähren, wenn unsere freiheitliche Gesellschaft von jenen angegriffen wird, die dieses Wertesystem ablehnen. Sonst verhilft man ihnen noch nachträglich zum Erfolg.

Doch nicht alle haben diese Botschaft begriffen. Wie Kavalleriepferde beim Hornsignal stehen sie bereit, um wieder ihre alten Forderungen vorzutragen: Schärfere Gesetze! Mehr Überwachung! Härtere Strafen! So hören wir es (nicht nur) von konservativen Innen- und Sicherheitspolitikern. Und immer wieder im Mittelpunkt: das Internet.

"Im Internet geboren" sei Breiviks Tat, so hören wir, und flugs folgt die Forderung: "Vorratsdatenspeicherung!" Andere fordern, anonymes Auftreten im Internet zu untersagen. Eine Datenbank auffälliger Personen müsse eingerichtet werden. Dass es die Vorratsdatenspeicherung in Norwegen längst gibt, und dass so mancher Prediger von Rassismus und rechtem Hass seine Identität durchaus nicht verbirgt – und bei nicht Wenigen Zustimmung findet –, solche Widersprüche zählen nicht.

Sobald irgendetwas passiert – seien es terroristische Anschläge, seien es Ausschreitungen wie in England: Scheinbar war es immer das Internet. Die Täter hätten sich über das Internet koordiniert, sie hätten ihre Taten im Internet angekündigt. Ist das immer noch der Reiz des vermeintlich Neuen, Unbekannten, oder soll der Boden bereitet werden für ein anderes Internet: kontrolliert und von missliebigen Inhalten gereinigt? Schon gibt es Überlegungen für ein virtuelles Schengen, eine europäische Internet-Außengrenze, an der unerlaubte Inhalte abgewehrt werden können.

Europa, so ist auch dieses Heft überschrieben. Für einige immer noch ein unbekanntes Wesen, und von manchen immer wieder in Frage gestellt, ist Europa doch die Ebene, auf der die meisten politischen Weichen gestellt werden. Politische Berichterstattung und politisches Engagement scheinen sich aber immer noch stärker im nationalen Rahmen als auf europäischer Ebene zu bewegen. Selbst bei einem europäischen Ereignis wie der Wahl zum Europäischen Parlament werden eher die Auswirkungen auf die nächste Bundestagswahl diskutiert als das Ergebnis der Wahl selbst. Ralf Bendrath stellte in den Blättern für deutsche und internationale Politik (4/2010) fest, die europäische Öffentlichkeit kranke daran, „dass sie massenmedial aus nationalen Öffentlichkeiten besteht – und nur auf die reagieren nationale Regierungen.“ Er fordert eine europäische Bürgerbewegung – diese Ausgabe der FIfF-Kommunikation will beitragen, den Boden dafür zu bereiten.

Ein Thema, das derzeit sowohl auf europäischer Ebene als auch in Deutschland diskutiert wird, ist der Datenschutz. Die in die Jahre gekommene Datenschutzrichtlinie 95/46/EG aus dem Jahr 1995 soll überarbeitet werden – das FIfF hat sich mit vielen anderen bürgerrechtlichen Organisationen an der öffentlichen Konsultation beteiligt – wir berichteten darüber (FIfF-Kommunikation 1/2011).

Gleichzeitig wird in Deutschland der Beschäftigtendatenschutz (§32 BDSG) überarbeitet. Letztes Jahr war er zentrales Thema unserer Jahrestagung, die wir gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) in Köln durchgeführt haben. Marie-Theres Tinnefeld hielt damals den Hauptvortrag zu diesem Thema; in dieser Ausgabe stellt sie für uns die entscheidenden Fragestellungen und die aktuellen Entwicklungen seit damals dar. Wir sollten dieses Thema weiter wachsam verfolgen.

Mit dem Datenschutz werden wir uns auch bei unserer Jahrestagung beschäftigen: Sie  findet statt vom 11. bis 13. November 2011 an der Hochschule München. Dialektik der Informationssicherheit – Interessenskonflikte bei Vertraulichkeit, Anonymität, Integrität ist sie betitelt und verspricht spannende Diskussionen:

"Die umfassende Computerisierung der Gesellschaft hat insbesondere durch die allgegenwärtige Nutzung des Internets im Privatbereich, im Geschäftsleben und in Behörden mit ihren Verwaltungsprozessen die Sicherheit von Information zu einer zentralen gesellschaftlichen Herausforderung werden lassen. Interessenskonflikte finden sich auf allen Ebenen. Wir reden darüber."

Vielen Dank schon jetzt an die Organisatorinnen und Organisatoren der Tagung, auf die wir uns freuen können.

Mit FIfFigen Grüßen

Stefan Hügel