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Pressemitteilung des AKV: Alarmierendes Geheimabkommen zur Datenauslieferung an die USA veröffentlicht

Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 25.09.2008

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat heute die bislang geheime Übereinkunft zur Auslieferung von Informationen über Deutsche an die USA veröffentlicht (www.vorratsdatenspeicherung.de). Die im Arbeitskreis zusammengeschlossenen Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer rufen den Deutschen Bundestag auf,
seine Zustimmung zu dem ohne parlamentarische Beteiligung, hinter verschlossenen Türen und im deutschen Alleingang von Wolfgang Schäuble (CDU) und Brigitte Zypries (SPD) ausgehandelten Plan zu verweigern, weil er in Deutschland lebende Menschen in die Gefahr systematischer Menschenrechtsverletzungen durch die USA bringt.

Der heute veröffentlichte Text der Übereinkunft sieht vor, einer ungenannten Zahl US-amerikanischer Behörden (darunter US-Strafverfolger, US-Grenzbehörden und US-Geheimdienste) einen direkten Online-Abgleich von Fingerabdrücken und DNA-Körperproben mit deutschen Datenbanken zu ermöglichen - ein europaweit
einzigartiges Vorhaben. Außerdem sollen deutsche Behörden den USA ungefragt melden dürfen, welche Personen sie der Beteiligung an oder Planung von terroristischen Aktivitäten verdächtigen. Bisher erlaubt das Rechtshilfegesetz eine Weitergabe persönlicher Daten nur an Staaten mit angemessenem Datenschutzniveau (§ 61a IRG).

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert die Abgeordneten des Bundestags aus den folgenden Gründen auf, die Übereinkunft der Minister abzulehnen:

  • Die Abfrage der deutschen Datenbanken soll keinerlei Verdachtsgrad oder Anlass voraus setzen - sie wäre willkürlich bei beliebigen Personen möglich, beispielsweise bei der Einreise von Touristen in die USA.
  • Die Übereinkunft legt nicht fest, welche US-Behörden Zugriff erhalten sollen.
  • Die Informationen aus Deutschland dürfen in den USA keineswegs nur zu dem Zweck, zu dem die Abfrage erfolgte, oder nur im Rahmen von Strafverfahren eingesetzt werden. Sie dürfen vielmehr für unbegrenzte Zeit in Massendatenbanken eingestellt und an andere US-Behörden weiter gestreut werden, wann immer die USA dies für richtig halten.
  • Die Betroffenen erfahren niemals von dem Informationsaustausch. Selbst wenn sie davon Kenntnis erhielten, wird ihnen keine wirksame Möglichkeit garantiert, die weiter gegebenen Informationen einzusehen oder die Berichtigung oder Löschung falscher oder überflüssiger Daten durchzusetzen.
  • Europäer erhalten kein Recht, unabhängige Gerichte anzurufen, um sich gegen irrtümliche oder illegale Maßnahmen der US-Behörden zu wehren. Nicht einmal unabhängige Datenschutzbeauftragte existieren in den USA.
  • In Verkennung des geringen Grundrechtsschutzes in den USA haben Innenminister Schäuble und Justizministerin Zypries den europäischen Vertrag zu Prüm, der ausschließlich für Mitgliedsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention konzipiert worden war, einfach auf die USA übertragen, in denen vergleichbare Sicherungen vollkommen fehlen.
  • Barry Steinhardt, Direktor der renommierten US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU, warnte erst neulich: "Falls Europa einem Datenaustausch mit den USA [...] zustimmt, werden Europäer einen weitaus geringeren Schutz ihrer Daten in den USA genießen als US-Bürger in Europa. Die US-Datenschutzgesetze sind schwach; sie bieten den eigenen Staatsbürgern wenig Schutz und Nichtamerikanern praktisch überhaupt keinen." [1] Die USA sind auf dem Gebiet des Grundrechtsschutzes ein Entwicklungsland. Ihr Datenschutzniveau entspricht einer Untersuchung der britischen Bürgerrechtsorganisation Privacy International zufolge etwa demjenigen der Philippinen oder Thailands. [2]
  • Zahllose Beispiele dokumentieren, was gängige Praktiken US-amerikanischer Behörden und Dienste sind: Die Inhaftierung Einreisender aus Europa ohne Angabe von Gründen, ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne medizinische Versorgung; die flächendeckende Überwachung rechtschaffener Privatpersonen und Unternehmen aus
  • Europa mithilfe von Finanzdaten (SWIFT) und globaler Telekommunikationsüberwachung (ECHELON); die Verhängung von Flugverboten und Finanzsperren ohne gerichtliche Verfahren; die Hinrichtung von Europäern (Todesstrafe); die Verschleppung von Menschen aus Europa in Lager außerhalb der USA, in denen sie auf unbegrenzte Zeit, ohne gerichtlichen Haftbefehl und unter Anwendung von Foltermethoden festgehalten werden.


Jede deutsche Auslieferung von Informationen über Europäer stellt eine Beihilfe zu nachfolgenden Verletzungen ihrer Menschenrechte im Wege der beschriebenen US-Praktiken dar. In Anbetracht des dortigen Grundrechtsschutzniveaus kann eine Informationsauslieferung an die USA allenfalls in Notstandsfällen, etwa zur Abwehr einer
gegenwärtigen Lebensgefahr, gerechtfertigt sein. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert die Abgeordneten des deutschen Bundestages zu einem Stopp des nun veröffentlichten Vorhabens auf, das die Sicherheit hunderttausender in deutschen Datenbanken registrierter Personen gefährdet.

"Unverhältnismäßigkeit, mangelnde Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit, unzureichende Zweckbindung, fehlende Sicherungen, kein effektiver Rechtsschutz - diese Übereinkunft verfehlt in nahezu allen Punkten die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an Grundrechtsbeschränkungen", kritisiert der Jurist Patrick Breyer vom
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Nach ihren spektakulären Fehltritten in den letzten Jahren (Lauschangriff, Luftsicherheitsgesetz, Europäischer Haftbefehl,
Vorratsdatenspeicherung) sollten unsere Volksvertreter nunmehr die Weisheit besitzen, dieses Vorhaben freiwillig auf Eis zu legen."

Unter anderem gegen die von der Bundesregierung geplante Datenauslieferung an die USA richtet sich eine für den 11. Oktober in Berlin geplante Demonstration "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!", zu der bereits über 70 Organisationen und Parteien aufrufen (http://www.freiheitstattangst.de). 



1. http://www.daten-speicherung.de/index.php/aclu-warnt-europaeer-vor-datenaustausch-mit-den-usa/
2. http://www.privacyinternational.org/article.shtml?cmd%5B347%5D=x-347-559597


Das Abkommen im Wortlaut: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/253/1/lang,de/
Diese Pressemitteilung im Internet: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/253/1/lang,de/


Über uns:

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern, der die Arbeit gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation koordiniert. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist politisch unabhängig, überparteilich und setzt sich für eine freie und offene Gesellschaft ein. http://www.vorratsdatenspeicherung.de