FIfF lehnt Gesetz zur Bestandsdatenauskunft ab

Das FIfF kritisiert die vom Bundesrat heute beschlossene Neuregelung der Bestandsdatenauskunft, die den Zugriff von Behörden auf Daten von TelekommunikationsnutzerInnen erheblich erleichtert, scharf. Die Neuregelung wurde gegen den Rat führender Sachverständiger beschlossen und damit der Weg für die umfassende Überwachung aller Nutzerinnen und Nutzer von Telekommunikationsdiensten frei gemacht.

Das Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft, so der Titel, war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die bisherige Regelung für verfassungswidrig befunden hatte. Die heute verabschiedete Nachbesserung soll nun keinen „Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ (1) mehr darstellen. Dies entpuppt sich bei der Lektüre des Textes aber als Farce.

Tatsächlich eröffnet das TKG verschiedenen Strafverfolgungsbehörden und den Geheimdiensten umfangreiche Möglichkeiten zur Überwachung von InhaberInnen eines Telekommunikationsanschlusses. Neben Telefonanschlüssen umfasst es ausdrücklich auch weitere Kommunikationskanäle, wie zum Beispiel den Internet-Anschluss.

Abgefragt werden können neben Name und Adresse der AnschlussinhaberInnen auch sämtliche dem Telekommunikationsunternehmen bekannte Daten. Das können ausdrücklich auch Zugangsdaten, wie Passwörter zu verschiedenen Diensten, oder auch PIN und PUK von SIM-Karten sein.

Explizit werden IP-Adressen in die Abfragemöglichkeiten aufgenommen. Da damit ein Zugriff auf Verkehrsdaten ohne Benachrichtigung möglich wird, kommt das einer  Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür gleich, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2010 außer Kraft gesetzt wurde. Darauf, dass das BVerfG die verdachtsunabhängige Speicherung und damit verbundene Auswertung von IP-Adressen monierte, reagiert die Neuauflage des TKG mit einer minimalen Änderung der Voraussetzungen für die Abfrage. So können zu „den Behörden bekannten IP-Adressen“ sämtliche Bestandsdaten automatisiert abgefragt werden. Implizit bedeutet das, dass diese Verkehrsdaten auch vorhanden sein, also gespeichert werden müssen. Der Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung besteht also lediglich in der Art des Zugriffs.

Gegenüber dem ersten Entwurf wurde das Gesetz dahingegehend nachgebessert, dass bei der Abfrage von PINs und Passwörtern eine richterliche Zustimmung erforderlich ist, diese lässt sich konkret jedoch mit der Berufung auf Gefahr im Verzug umgehen. Für Länderpolizeien ist die Einschaltung der Staatsanwaltschaft und somit ein laufendes Verfahren notwendig. BKA, Bundespolizei und Zoll können jedoch direkt richterliche Verfügungen erfragen auch ohne dass ein Strafbestand erfüllt ist, wie es in der Begründung zu dem Entwurf heißt. Der Zugriff auf einfache Bestandsdaten, wie Name, Adresse, etc., kann weiterhin ohne richterliche Genehmigung erfolgen.

Die Pflicht zur Benachrichtigung von Betroffenen ist zwar aufgenommen worden, wird jedoch stark  eingeschränkt. Unter Nennung von Gründen, wie z.B. laufende Verfahren, Gefährdung von Ermittlungen etc., kann von einer Benachrichtigung abgesehen werden.

„Damit ist klar: Erneut hat sich eine Politik der vermeintlichen inneren Sicherheit gegen die Bürgerrechte durchgesetzt“, so das Fazit des FIfF-Vorsitzenden Stefan Hügel. „Es ist enttäuschend, dass Argumente für Privatheit und anonyme Nutzung des Netzes stets hinter Belange der Strafverfolgung zurücktreten müssen, trotz profilierter NetzpolitikerInnen in allen Parteien – und trotz wiederholt anders lautender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.“

(1)  http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20120124_1bvr129905.html

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