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Studienbuch Informatik und Gesellschaft

Christian Fuchs, Wolfgang Hofkirchner: Studienbuch Informatik und Gesellschaft. Norderstedt: Books on Demand, 2003. ISBN 3-8330-0252-2, 441 S.

Rezention von Ralf E. Streibl

Informatik und Gesellschaft ist seit geraumer Zeit zumindest an einigen Universitäten im deutschsprachigen Raum Teil der Ausbildung von Informatikstudierenden. Über die Möglichkeiten und Probleme und auch die Geschichte dieses Fachgebietes berichteten im Heft 4/2001 der FIfF-Kommunikation die Fachvertreter dieser Hochschulen. Eine Schwierigkeit stellt das Fehlen aktueller Lehrbücher dar. Natürlich gab es in der Vergangenheit mehrfach Versuche umfassender Darstellungen, die für eine Einführung in das Thema oder für spezielle Teilthemen hilfreich und nützlich sind (z.B. W. Steinmüller: Informationstechnologie und Gesellschaft, 1993; J. Friedrich, T. Herrmann, M. Peschek, A. Rolf (Hrsg.): Informatik und Gesellschaft, 1995; oder die Tübinger Fernstudienmaterialien zu „Informatik und Gesellschaft“). Doch ist – so zeigt sich in der Praxis – die Gratwanderung zwischen theoretischen Reflexionen einerseits und konkreten Beispielen andererseits schwer zu leisten. Illustrative Fallbetrachtungen werden relativ schnell von aktuellen Entwicklungen überholt – zwar kann man auch an älteren Beispielen grundsätzliche Probleme sehr gut veranschaulichen, doch darf nicht der Eindruck entstehen, das Fach mache seine Identität vorrangig an Volkszählungsurteil, Fabrikautomatisierung mit Industrierobotern und Krankenversichertenkarte fest. Bei eher theoretischen Betrachtungen stellt sich die Frage nach der Basis: Sucht man die zentrale Sichtweise, unter der man die Inhalte des Fachgebietes subsumieren will, wirkt das Ganze schnell verkrampft und einengend. Ja, das Fachgebiet mag theorielos sein (es steht damit nicht alleine da - vgl. die Bestrebungen für eine Theorie der Informatik im Umfeld der gleichnamigen Arbeitstagungen), gleichzeitig ist es jedoch auch voll von Theorien und Sichtweisen, die nicht zuletzt aus anderen Disziplinen entliehen und flexibel - manchmal auch gnadenlos - angewandt werden.


Um es vorwegzunehmen: Nein, das fehlende Lehrbuch haben Fuchs und Hofkirchner nicht vorgelegt – aber kann es das überhaupt geben? Das Verdienst der Autoren liegt darin, in dem Band sehr systematisch grundlegenden Begriffen nachzuspüren, die – nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs des Fachgebietes Informatik und Gesellschaft – gerne ohne hinreichende Reflexion verwendet werden. In diesem Sinne sind die zentralen Kapitel des Bandes überschrieben mit „Information“, „Gesellschaft“, „Technik“ und ihren Verknüpfungen wie „Informationstechnik“, „Informationsgesellschaft“ etc. Dieser Teil des Buches nennt sich „Einsichten“. Hier versuchen die Autoren, anhand zahlreicher Quellen und Theorien, Struktur in die vielfältigen Betrachtungsmöglichkeiten von Technik zu bringen, die es sowohl von Technikentwicklung als gesellschaftlichem Prozess als auch von den gesellschaftlichen Wirkungen und Folgen gibt. Zur Einbettung dieser Reflexionen – gleichsam als Motivation des Vorhabens – ist dem Ganzen ein Teil „Ansichten“ vorgeschaltet, in dem kurze Publikationsauszüge verschiedener Autoren Chancen und Risiken von Informatikanwendungen in den Feldern Technik, Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur illustrieren.


Mit Blick auf die Breite der dargestellten Ansätze und vor allem die Systematik des Aufbaus und der Darstellung ist die Bezeichnung „Studienbuch“ für das Werk mehr als angemessen. Es enthält viele Quellen und Anregungen für das weitere eigene Nachdenken und ist vor allem eines: ein Impuls für die weitere kritische Auseinandersetzung mit Informatik und Gesellschaft.


Christian Fuchs, Wolfgang Hofkirchner: Studienbuch Informatik und Gesellschaft. Norderstedt: Books on Demand, 2003. ISBN 3-8330-0252-2, 441 S.